Bis 1992 Chefreporter ARD/FS/BR
Reportagen, Kommentare, Moderationen, Artikel, Essays, Bücher, Theaterstücke.
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Zur Vita:
von Dagobert Lindlau
Auf die Welt gekommen bin ich in München am 11.Oktober 1930 und war dann trotz Krieg, Mangel, Hunger und Bomben ein glückliches, wenn auch „schwer erziehbares“ Kind. (Schulakte)
Nach einer Verwundung bei einem Fliegerangriff auf München und nach einer chemischen Verbrennung wurde ich in „moribundem Zustand“ (Krankengeschichte) 1944 in eine Klinik eingeliefert, blieb dort zwei Jahre lang ans Bett gefesselt, wurde danach ein weiteres Jahr stationär behandelt und schliesslich kaum gehfähig auf Krücken entlassen. Der FLAK-General Zenetti hatte mir dafür das Verwundetenabzeichen in schwarz geschickt.
Fünfte, sechste und siebte Klasse Oberschule wegen Krankheit übersprungen, dann zeitgerecht ein miserables Abitur gemacht. Bis heute hat mich glücklicherweise niemand nach dem Zeugnis gefragt.
Dann Mädchen für alles bei einer Provinzzeitung, vom Einheizen des Kanonenofens, dem Verfassen von kommunalpolitischen Artikeln und Filmkritiken bis hin zum Redigieren des Gottesdienstkalenders. Da ich die nackte Hildegard Knef in „Die Sünderin“ schön fand, wurde uns zur Strafe der Gottesdienstkalender entzogen.
Danach „Regieassistent“ bei der amerikanischen Filmgesellschaft PRINCESS PICTURS (PARAMOUNT). Tatsächlich Kaffeeholer und Textabfrager für internationale Stars. Immer noch auf Krücken. Für eine respektable Gage durfte ich zusehen wie man technisch perfekte aber ziemlich schlechte Filme macht. Nebenher schrieb ich Kurzgeschichten. (MÜNCHNER ILLUSTRIERTE, QUICK, STUTTGARTER ZEITUNG u.a.) Ausserdem hörte ich, ohne eingeschrieben zu sein, den Professoren der Ludwigs-Maximilians-Universität zu und verfasste für reguläre Studenten Seminararbeiten.
1954 lockte mich das Fernsehen. Ich wollte lieber mit echten Menschen und Ereignissen zu tun haben als mit Schauspielern und erfundenen Geschichten. Wegen eines exzellenten Filmtextes, den ein Schulfreund (der spätere TV-Regisseur Dr.Michael Braun) nach der Stoppuhr für mich schrieb und einer handschriftlichen Empfehlung von Thornton Wilder, dem ich meine Kurzgeschichten gezeigt hatte, wurde ich vom Münchner ARD-Sender engagiert. Die Folge war eine bedauerliche Reduktion meiner Einkünfte. Ausserdem musste ich Tag und Nacht üben, um meinem erschlichenen Ruf als Textschreiber gerecht zu werden.
1956 sollte mein immer noch nicht zugeheiltes rechtes Bein am Oberschenkel amputiert werden. Eine junge und atemberaubend schöne Chirurgin legte ihr Veto gegen die Amputation ein und deckte die ausgedehnten und bis auf die Knochen reichenden Defekte in einem halben Dutzend chirurgischer Eingriffe durch eine damals in Deutschland kaum bekannte Transplantationstechnik. Bis heute behielt ich mein Bein und sie mich. Dass ich weiterarbeiten konnte, verdanke ich ihr: Tagesschauberichte, Reportagen, Live-Regie beim Eishockey, beim Säbelfechten, beim Kegeln und bei grossen Studiosendungen, Kommentare im ARD-Programm und die Moderation des WELTSPIEGEL. Flüge durch die Schallmauer mit einer F-100 Super Sabre und durch die Hitzemauer mit einem Starfighter. Ausserdem investigative Berichte für die politischen Magazine von BR, NDR, SWR und WDR sowie Reportagen aus Japan, den USA und dem Nahen Osten. Oft aus Krisengebieten.
Schliesslich wurde ich Chefreporter ARD/FS/BR.
Nebenher schrieb ich Filmdialoge, Essays und Übersetzungen von Theaterstücken aus dem Amerikanischen. (Connor Cruise O´Brian: „MURDEROUS ANGELS“, Joseph Heller: „WE BOMBED IN NEW HAVEN“, ein Stück, das Hans Schweikart im Berliner Schillertheater mit Ernst Schröder, Bernhard Minetti und Michael Degen in den Hauptrollen inszenierte.)
Es ist schwierig, sich selber politisch einzuordnen. Manche meinen, dass ich ein Linksliberaler sei. Dagegen habe ich nichts, aber ich halte es für falsch. Ich gehöre keiner Partei an, habe eine tiefe Abneigung gegen parteipolitische Kategorien und meine, dass Reporter zu politischen oder anderen Interessengruppen Distanz halten sollen. In einigen Fragen stehe ich weit links, in anderen weit rechts. Es kommt auf die Frage an. Willy Brandts Ostpolitik habe ich aktiv unterstützt, weil ich sicher war, sie werde den den Eisernen Vorhang öffnen.
Den Philosophen Max Horkheimer darf ich meinen Lehrer nennen. Sein Denken hat mir bei vielen beruflichen Entscheidungen geholfen. Nähere bis freundschaftliche Beziehungen zu Alexander Mitscherlich, Joseph Heller, Theodor Adorno, Willy Brandt, Albrecht Fürst zu Oettingen-Spielberg, Bernhard Wicki, Graham Greene und amerikanischen Staranwälten wie F.Lee Bailey und Melvin Belli. Mein bester und ältester Freund in den Wortes doppelter Bedeutung, ist der vorsitzende Richter des Disziplinargerichts von Pennsylvanien und Sonderankläger eines US-Justizministers, Richard A.Sprague Esq.
Mitte der Sechzigerjahre machte ich für die ARD eine chirurgische Serie. Der Sender sah darin einen Beitrag zur Aufklärung potentieller Patienten. Die Schreibtischmediziner der Bundesärztekammer hatten Schaum vor dem Mund, weil man sie nicht gefragt hatte. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG schrieb, niemand könne mehr einen anderen Menschen lieben, wenn er dessen übelriechendes Innere durch solche Sendungen kennenlerne. Ignoranz in Bezug auf die Verdauung des Geliebten galt dem Blatt als Voraussetzung für Zuneigung. Fernsehdirektor Clemens Münster verteidigte die Reihe, an der die bedeutendsten Ärzte Europas mitwirkten, und hielt sie trotz des Proteststurms im Programm.
1981 machte ich mit Dr.Hans Lechleitner die Sendung „DIE BEDROHUNG“. Sie hatte eine Rekordeinschaltquote und warnte vor dem Organisierten Verbrechen. Die Warnung wurde aus unterschiedlichen ideologischen Gründen von einer rot-schwarzen Koalition der Verdrängung als Hirngespinst abgetan. Der Chef des Landeskriminalamts in München erklärte, dass es so etwas in Deutschland nicht nur nicht gebe, sondern auch niemals geben könne.
Hart war meine Kontroverse mit dem Kollegen Franz Schönhuber, der das SS-Buch „ICH WAR DABEI“ geschrieben hatte und danach von meinem Sender als Chefredakteur ARD/FS/BR installiert werden sollte. Schönhuber musste gehen und gründete die Republikaner. Zu meiner Überraschung war er im Sender von Kollegen gestützt worden, die der politischen Linken zuzurechnen waren. Ein SPD-Rundfunkrat und der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde hatten ihm zu seinem SS-Buch gratuliert. Die Bayerische Staatsregierung hatte ihm den bayerischen Verdienstorden verliehen.
Während ich 1989 in Wien für die ARD Osteuropa- Büro leitete, gab es heftige Proteste gegen meinen WELTSPIEGEL-Bericht „DIE DÖRFER STEHEN NOCH“. Die angebliche „Dorfzerstörung“ und die „Bulldozerpolitik“ Ceausescus wurden darin auf Grund eigener Recherchen, Informationen des Bundesnachrichtendienstes und Mitteilungen des deutschen Botschafters in Bukarest als ungarischer Propaganda-Coup entlarvt, auf den die gesamte westliche Presse hereingefallen war.
Ceausescu hatte die Dorferneuerung schon 1974 angeordnet, um die Landflucht und Verelendung aufzuhalten zu der seine Diktatur geführt hatte. Das Gesetz hatte die Begeisterung des Westens für den Despoten nicht geschmälert. Ceausescu wurde vom dänischen Königshaus mit einem der höchsten Orden ausgezeichnet, den die europäische Aristokratie zu vergeben hat, dem Elefantenorden. Deutsche Politiker putzten Jahre nach dem Inkraftreten des Gesetzes immer noch Klinken, um im Karpaten-Revier Ceausescus einen Bären schiessen zu dürfen. Dann wurde über Nacht aus dem gefeierten Conducator und „Demiurgen“ Ceausescu ein „Dracula“ und ein „zweiter Hitler“. Da sich mein Bericht an den Fakten, nicht aber am Trend orientierte, begann eine Medienhatz von links und von rechts gegen mich, an der sich auch mein eigener Sender beteiligte. Als sich Jahre später herausstellte, dass der WELTSPIEGEL-Bericht die Situation zutreffend geschildert hatte, nahm mein Sender seine Anschuldigungen in einer Radiosendung zurück.
Im Lauf der Zeit haben sich ein paar Preise angesammelt. Stolz bin ich auf einen Grimme-Preis für das Interview mit Max Horkheimer über den „faschistischen Antifaschismus“ im Jahr 1967. Es war eine Kritik am politischen Kampf und an einem Klima, in dem die RAF mit Mord und Totschlag für eine gerechte Welt kämpfen sollte. Eine solche Thematik fand damals noch Platz in der Hauptsendezeit der ARD. Einen weiteren Grimme-Preis gab es 1970 für „PERRY MASON LEBT“. Dann folgte 1986 die „Besondere Ehrung für Verdienste um das Fernsehen in der Bundesrepublik Deutschland“.
1987 erschien „DER MOB – Recherchen zum Organisierten Verbrechen“ und wurde zu einem Bestseller. Bundeskanzler Helmut Kohl hatte das Buch während einer seiner Abmagerungskuren gelesen. Er flog Polizeiführer nach Bonn ein und entband sie von der Berichtspflicht. Sie bestätigten ihm meine Thesen. Der Text trug dazu bei, dass die Verdrängung der Gefahr beendet wurde. Dann kamen die Bestseller RAKKET und DER LOHNKILLER. Schliesslich der Roman STRAGLERS WOCHE, eine St.Pauli-Saga, die ich für die Bühne umschrieb und die im Deutschen Schauspielhaus Hamburg mit Eva Mattes und Sepp Bierbichler in den Hauptrollen aufgeführt wurde.
Vor Kurzem erschien bei PIPER „REPORTER – Eine Art Beruf“. In dem Buch werden meine spannendsten, bewegendsten oder auch komischsten beruflichen Erfahrungen geschildert. Es geht um Ereignisse, über die berichtet wurde, obwohl es sie nicht gab, und um andere, die es gab, obwohl nicht über sie berichtet wurde, um den Zustand der Medien, um absichtliche Fälschungen oder unabsichtliche Desinformationslawinen und den Einfluss von Parteien und Verbänden auf die Massenmedien. Schließlich geht es um das zunehmende Unbehagen von Bürgern, vor deren Augen die noblen Prinzipien der repräsentativen Demokratie zum bloßen Gerangel einer Parteiendemokratie verkommen.
Privat schiesse ich Tontauben, spiele Bridge oder Poker, sammle Spazierstöcke aus Schwarzdorn, befasse mich mit Gebrauchshunden und aquarelliere Landschaften.
Wenn etwas schief geht, mache ich alle verantwortlich, nur nicht mich. Das lässt mich die Ungerechtigkeit der Welt leichter ertragen, macht mich aber hin und wieder ungeniessbar. Während meiner Arbeit als Reporter in der Hippie-Szene von San Francisco habe ich die meisten illegalen Drogen probiert und nie verstanden, was daran schön sein soll. Mich machen Landschaften „high“, alte Bäume und kontrastreich gemaserte Gewehrschäfte aus dem Holz der Juglans regia (Walnussbaum). Ich habe mir die Kunst angeeignet, in die Luft zu schauen, ohne an etwas zu denken. Je älter ich werde, desto kindischer kommt mir das Fernsehen vor. Wenn ich noch einmal auf die Welt käme, würde ich alles werden, bloss nicht Journalist. Schon gar nicht in dem elektronischen Medium, das sich so dramatisch verändert hat, seit ich anfing.